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TCE-Blog

26. Februar 2020 · Erfahrungsbericht

Altbekanntes mit anderen Augen sehen – Abschlussbilanz der Intensivphase

Jetzt sitze ich hier und halte meine Abschlussbilanz. Ich kann es nicht wirklich glauben, dass ich schon so weit bin und jetzt in die nächste Phase wechseln kann. Hätte mir jemand vor ein paar Monaten gesagt, dass die Zeit am TCE schnell vorbeigehen wird, dann hätte ich es ihm nicht geglaubt. Doch ich musste in den letzten Wochen feststellen, dass die Zeit hier verfliegt. Ich habe die Intensivphase geschafft und irgendwie bin ich auch stolz auf mich, dass ich vier Monate durchgehalten habe. Das habe ich wahrscheinlich meiner Motivation zu verdanken und natürlich auch dem TCE, sowohl dem Team, als auch der Gruppe. Ihr alle habt mir das Gefühl gegeben, nicht alleine zu sein. Das TCE wurde zu einem Ort, an dem ich mich wohlfühlen konnte, auch wenn es nicht immer leicht war und es weiterhin schwierige Tage geben wird. Doch ich bin mir sicher, dass es sich lohnt, denn das merke ich jetzt schon.

Als ich meine Abschlussbilanz geschrieben habe, schaute ich mir meine Therapiemappe und mein Tagebuch an, um nochmal alles Revue passieren zu lassen. Aus anfangs sechs Seiten, auf denen meine Symptome beschrieben waren, wurden ein bisschen mehr als eine Seite. Es tut gut zu sehen, wie klein die Essstörung mit der Zeit wird, denn zunächst schien es mir unmöglich, all meine Symptome abzulegen. Doch die Essstörung scheint langsam zu verschwinden, und das merke ich auch an meinen Gedanken. Mein Tag dreht sich nicht mehr ums Essen oder Nichtessen, nicht um Kalorien oder darum, was ich essen darf und was doch zu ungesund ist. Ich will nicht sagen, dass die Essstörung nie da ist, denn so ist es nicht. Es gibt auch Tage, Momente, in denen sie immer noch versucht, mich zu beeinflussen. Doch die Stimme wird immer seltener und leiser. Gleichzeitig werde ich immer stärker und versuche meiner Essstörung immer einen Arschtritt zu verpassen, denn dank der Therapie habe ich gelernt, zwischen mir und meiner Essstörung zu unterscheiden. Ich bin froh, dass ich an diesem Punkt angekommen bin und mich jetzt für das Leben und gegen die Essstörung entschieden habe. Das TCE hat mir gezeigt, dass mich meine Krankheit nicht glücklich machen kann, im Gegenteil, sie zerstört mich. All das, was ich für mein Leben brauche, genau das alles nimmt sie mir weg. Sie raubt mir Zeit und Kraft. Sie verhindert eine schöne Zukunft, zerstört Träume und Wünsche. Sie isoliert uns. Neben ihr kann es keine anderen Beziehungen geben. Sie nimmt uns unsere Familie, Freunde – alle, die uns lieb sind. Und vielleicht das Schlimmste von allem: sie bringt uns dazu, uns selbst zu hassen.

Das will ich mir nicht länger gefallen lassen, und mit dem TCE konnte ich Stück für Stück mein Leben zurückgewinnen. Die Lebensfreude, die mich am Leben hält. Meine Leidenschaften, die mir die Kraft zum Weitermachen geben. Die Zeit, die ich jetzt für schöne Momente übrig habe. Meine Familie und Freunde, die ich wegen meiner Essstörung verloren hatte. Das Vertrauen in mich selbst und das Gefühl für mich und meine Bedürfnisse. Das Thema Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge wurde für mich sehr wichtig. In der Fertigkeitengruppe schaffte ich es immer wieder, mir selbst ganz nahe zu kommen. Und dafür bin ich sehr dankbar, denn genau das hat mir gezeigt, dass ich es wert bin. In der Krankheit verliert man sich selbst, doch jetzt kann ich sagen, dass ich mich mehr und mehr finde. Ich weiß, dass ich noch ein Stück vor mir habe, und dass ich noch an einigen Themen arbeiten muss, aber ich freue mich darauf. Der Weg ist zwar schwierig, doch er schenkt einem sehr viel, wenn man sich traut, ihn zu gehen. Die Stabilisierungsphase ist meine nächste Hürde, die sicher Höhen und Tiefen für mich bereithält. Höhen, durch die ich gestärkt werde, und Tiefen, während derer ich lerne, wieder aufzustehen und weiterzumachen.

Und so will ich jetzt zum Ende kommen, und einen neuen Lebensabschnitt beginnen. Ganz im Sinne des Sprichwortes: „Manchmal beginnt ein neuer Weg nicht damit, Neues zu entdecken, sondern damit, Altbekanntes mit ganz anderen Augen zu sehen..."

 

 

Bildnachweis: tba

Über die Autorin

Laura, 21 Jahre, beim Übergang von der Intensiv- in die Stabilisierungsphase