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TCE-Blog

23. Oktober 2019 · Erfahrungsbericht

Hoffnung auf ein "normales" Leben - einen Kampf gegen die eigene Essstörung führen

Ich habe lange darüber nachgedacht, was für mich das Wichtigste ist, das mir das TCE während der Therapie meiner Essstörung gegeben hat. Und ich glaube, dass es die Hoffnung ist. Als ich ins TCE kam, hatte ich jede Hoffnung längst verloren. Es stand für mich fest, dass ich nie mehr ein „normales" Leben führen können werde und dass ich nie mehr so etwas wie Glück empfinden werde. Ich hatte mich und mein Leben aufgegeben. Es gab einfach keine Zukunft für mich, zumindest keine, die ich hätte selbst bestimmen und gestalten können.

Mit dieser Einstellung bin ich ins TCE gekommen und nein, das ist wahrlich nicht die beste. Wie soll man denn gesund werden, wenn man schon von Anfang an nicht an sich glaubt? In den ersten Wochen im TCE ging es mir daher zugegebenermaßen nicht sonderlich gut. Ich hatte keinen Grund, für den es sich vielleicht hätte lohnen können zu kämpfen. Ich war ein stilles, in sich gekehrtes, trauriges und kraftloses Häuflein Elend.
Und doch bin ich geblieben. Ein Jahr lang. Und am Ende ist es mir sogar wirklich schwergefallen, das TCE wieder zu verlassen. Allein schon diese Tatsache spricht für das TCE.

Irgendetwas machen die Leute da verdammt richtig. Und hier kommt wieder die Hoffnung ins Spiel. Irgendwann, nach einigen Wochen Therapie im TCE, kam ein Moment, von dem ich dachte, er würde niemals kommen.
Es war der Moment, in dem ich zum ersten Mal wieder nach vorne geschaut habe und gesehen habe, dass mein Weg ja noch gar nicht zu Ende ist. Ich habe bis dahin immer nur zurückgeschaut, wollte umkehren oder einfach stehen bleiben und mich selbst bemitleiden, weil ich anscheinend kein glückliches Leben verdient hatte. Zu oft war ich gescheitert, zu oft hatte die Essstörung gewonnen. Aber dann kam langsam, aber sicher die Erkenntnis, dass nur ich allein etwas an meiner Situation ändern kann. Die Entscheidung, der Essstörung keine Macht mehr über das eigene Handeln zu geben, kann nur jeder für sich selbst treffen. Und in dem Moment, in dem man diese Entscheidung trifft, beginnt man, wieder nach vorne zu schauen.

Man beginnt, wieder Verantwortung für sich und sein Leben zu übernehmen. Raus aus der Hilf- und Hoffnungslosigkeit und stattdessen aktiv werden!

Und es sagt niemand, dass das leicht ist. Im Gegenteil, es ist verdammt schwer. Das habe ich auch sehr schnell gemerkt. Nicht nur einmal habe ich an meiner Entscheidung, der Essstörung den Kampf anzusagen, gezweifelt. Denn wenn man anfängt, diese Entscheidung in die Tat umzusetzen, sprich, sich auf das Konzept des TCE und die Therapie einzulassen und an sich selbst zu arbeiten, dann fühlt sich das erst einmal nicht so angenehm und irgendwie auch nicht wirklich richtig an.

Wäre es nicht viel leichter, einfach doch wieder umzukehren? Der Weg, der da vor mir lag, erschien mir viel zu steinig und kaum zu bewältigen. Lohnt es sich wirklich, ihn zu gehen? Bei dieser Frage half mir ein kleines, unscheinbares Wort, nämlich „trotzdem". Ich zweifle, ich habe Angst und ich bin mir wirklich nicht sicher, ob ich diesen Weg raus aus der Krankheit schaffen werde, aber TROTZDEM werde ich es versuchen. Das habe ich mir gesagt. Weil, den Weg zurück kenne ich. Den bin ich schon so oft gegangen, der ist schon total ausgetreten. Jetzt will ich schauen, was da noch vor mir liegt. Ich habe nichts zu verlieren. „Und irgendwann merkt man, dass die Therapie etwas bewirkt. ... "

Immer, wenn ich gezweifelt habe, habe ich mir das wieder ins Gedächtnis gerufen. Und irgendwann merkt man, dass die Therapie etwas bewirkt. War es anfangs unglaublich schwierig, im Einzel über die eigenen Probleme und Ängste zu reden, habe ich mich bald richtig darauf gefreut. Und habe ich mich zu Beginn angegriffen und verletzt gefühlt, wenn ich von einer Mitpatientin oder einem Mitpatienten auf Symptome angesprochen wurde, war ich irgendwann dankbar dafür. Denn dann wusste ich, woran ich noch arbeiten musste. Und es zeugt doch auch von Interesse und Fürsorge, wenn jemand anderes einen auf mögliche „Fehler" und Baustellen hinweist.

Es ist so ein unheimlich schönes Gefühl zu merken, dass das Leben wieder einen Sinn hat. Dass die Menschen, die man im TCE kennengelernt hat, zu Freunden, Vertrauten und bald sogar zu so etwas wie Familie werden. Dass Dinge, an denen man Interesse und Freude verloren hatte, auf einmal wieder Spaß machen.

Ich werde nie den Moment vergessen, als ich während einer Einzeltherapie zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder gelacht habe. Das war dieses ehrliche Lachen, bei dem man sich einfach nur unbeschwert und glücklich fühlt.

Auf einmal gab es in meinem Leben wieder mehr positive als negative Erlebnisse. Und mit jeder positiven Erfahrung, die ich machte, wurde es leichter, Herausforderungen anzunehmen und Rückschläge zu akzeptieren.
Weil ich gelernt habe, dass das Leben immer ein Auf und Ab ist. Und dass alles vergänglich ist, die guten, aber auch die schwierigen Phasen des Lebens.

Ich glaube, ich habe erst im Nachhinein realisiert, wie viel ich im TCE gelernt habe. Als ich dann wieder „da draußen im richtigen Leben" war, ist mir immer mehr bewusst geworden – und dieses Bewusstsein nimmt auch jetzt noch zu – wie selbstständig und reflektiert ich geworden bin. Mit Problemen, die ich vorher nicht mal erkannt hätte, weiß ich mittlerweile umzugehen. Ich habe wieder einen Zugang zu mir bekommen und kann wieder Verantwortung übernehmen.

Für so vieles bin ich dem TCE dankbar. Für die Patienten, die einen aufnehmen, verstehen und akzeptieren, so wie man ist. Für die Therapeuten, die unermüdlich ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Ideen dafür einsetzen, die Patienten wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Die manchmal unangenehme Fragen stellen, manchmal unangenehme Antworten geben.
Auch etwas, was ich gelernt habe: Wird es unangenehm, lass nicht locker. Denn dann hast du einen wunden Punkt getroffen. Dann kommt etwas in Bewegung, dann kann Veränderung stattfinden.
Und natürlich für die Schwestern. Ich glaube, ohne die Schwestern hätte ich das TCE schon nach ein paar Tagen wieder verlassen. Von der ersten Sekunde an haben sie mir das Gefühl gegeben, da wo ich bin, genau richtig zu sein. Obwohl sie anfangs vermutlich nicht nur einmal an meiner Mauer des Schweigens abgeprallt sind, haben sie es geschafft, ebendiese Mauer einzureißen. Sie haben mich aufgefangen, wenn ich gefallen bin, und haben mich daran erinnert, warum es sich lohnt weiterzukämpfen, wenn ich es vergessen habe. Die Schwestern waren mit die wichtigsten Menschen für mich im TCE. Ohne sie wäre das TCE nicht das, was es ist. Ich hoffe und wünsche mir, dass das TCE noch viele weitere Jahre bestehen wird und dass noch viele Menschen in seinen vier Wänden neue Hoffnung, Kraft und Lebensfreude finden werden. Denn im TCE spürt man jeden Tag aufs Neue, dass man nicht allein ist, egal welche Probleme oder Ängste einen belasten.

Es ist die Gemeinschaft, die gegenseitige Unterstützung und der Zusammenhalt, die das TCE zu etwas ganz Besonderem machen.

Über die Autorin

Regina, 20 Jahre, ehemalige Patientin des TCE