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TCE-Blog

17. Mai 2017 · Erfahrungsbericht

Mein positives Körperbild

Vor ein paar Wochen hat Isabell hier im Blog ihren Tag in der Krankheit vorgestellt. Der Text entstand noch relativ am Anfang der Therapie, als zwar schon erste Fortschritte erkennbar waren, der Auszug aus dem TCE aber noch in weiter Ferne lag. Mittlerweile hat Isabell ihre Therapie am TCE beendet. Wenige Wochen vor ihrem Auszug hat sie folgenden Text in der Gruppe vorgestellt:

Eine Reise an sich ist wirklich eine tolle Sache, aber eine Reise durch die einzelnen Bestandteile meines Körpers stand definitiv nicht auf meiner "Da-muss-ich-unbedingt-mal-hin"-Liste. Doch wieso das Land verlassen und sich mit anderen Kulturen beschäftigen, wenn man mit sich selbst noch nicht ganz im Reinen ist und der eigene Körper so viel zu entdecken bietet?

Durch die vielen Jahre der Krankheit habe ich es bis heute nicht geschafft zu sehen, was wirklich schön ist oder was mir wichtig ist im Leben. Ich war blind und verschloss die Augen vor den Dingen, die essentiell sind, und steuerte mein Augenmerk immer nur auf das Oberflächliche, habe nie hinterfragt, was oder wer hinter dieser Fassade stecken könnte.

Ich habe dennoch das Gefühl, es hat nun endlich "KLICK" gemacht.

Natürlich sehe ich noch viele Dinge, die mir nicht gefallen. Ich fühle mich manchmal noch fremd und so, als würden einzelne Stellen meines Körpers nicht zu mir gehören. Aber dann gibt es wiederum Tage, viele einzelne Momente, an denen ich mich einfach spitze fühle. Ich habe Energie, mein Körper ist gesund und das für mich persönlich Wichtigste: Ich besitze endlich wieder Ausstrahlung.

Mein Gesicht spiegelt etwas anderes wider als nur die Krankheit, Sorgen, Kummer und Leid. Es erzählt viel mehr. Ein Leben steckt dahinter und viele einzelne Glücksmomente, die mich wieder zum Lachen gebracht haben. Meine Augen, meine Haare, meine Zähne ... Ich sehe irgendwie glücklich aus. Ich habe gekämpft, gelitten, fand mich oft abscheulich und zu dick, aber ich habe es durchgestanden, meinem Körper die Zeit gegeben, die er sich verdient hat.

Jeder Blick in den Spiegel war streng kontrollierend. Das Abtasten der einzelnen Stellen war auch stets deprimierend. Heute gefällt mir, was ich sehen darf. Es passt irgendwie alles so perfekt zusammen. Mein früherer Wunsch, dürr und krank auszusehen, ist mir mittlerweile unangenehm. Nur Sorgen habe ich dadurch bereitet, meine Mutter hatte Angst um mich und meinem Freund habe ich in Wahrheit auch nicht gefallen, auch wenn er es niemals zugegeben hätte.

Ich bin immer noch schlank und sehe gut aus, vielleicht besser denn je.

Ich stehe mit beiden Beinen im Leben, ich habe starke Beine. Sie haben mich begleitet, mich geleitet, durch die Krankheit geführt und sie überlebt. Ich bin dankbar dafür.

Ich habe meine Arbeit, die mich erfüllt und mir eine Aufgabe gibt im Leben. Eine Arbeit, die auch mein großes Hobby wurde. Endlich kann ich auch hier wieder funktionieren, kann ich mit meinen Händen tolle, schöne Dinge fabrizieren, schaffe ich es, Leute damit zu berühren.

Wenn ich krank bin, mir nicht gut ist, kümmere ich mich um meinen Körper. Er ist mir wichtig. Ich ziehe mich warm an, gehe zu einem Arzt und biete meinem Körper dadurch Sicherheit. Ich muss ihm beweisen, dass ich ihn wirklich will und er nie wieder so leiden muss, wie er es leider zu lange musste.

Liebe und Sex waren lange Zeit ein schwieriges Thema für mich. Es hat sich nicht richtig angefühlt, wenn nicht sogar schlecht und unangenehm. Ich wollte mich nicht präsentieren, mich nicht zeigen. Ich wollte nicht berührt werden, keine Nähe zulassen. Ich war lange alleine und alles war fremd für mich. Vertrauen schenken können, war nicht möglich und damit eine Beziehung zu beginnen, eine eher ungute Idee. Dennoch habe ich mich verliebt.

Vielleicht war es die Zuneigung und Bestätigung meines Freundes, die mir immer und immer wieder aufgezeigt haben, wie schön ich bin und dass ich all das Leid und die Anstrengung, die eine Essstörung mit sich bringt, nicht auf mich nehmen muss. Ich bin schön – so wie ich bin.

Mittlerweile genieße ich es, angefasst zu werden. Zumindest von meinem Freund. Ich fühle mich zu ihm hingezogen, kann jeden intimen Moment mit ihm wahrnehmen, ohne mit den Gedanken abzuschweifen. Ich fühle mich endlich wieder sexy und alles ist stimmig.

Ich bin froh um meinen Körper. Ich kann mir keinen besseren Körper vorstellen. Vielmehr bin ich ihm auch unendlich dankbar. Ich bin stolz auf ihn. Er ist stark! Stärker als seinerzeit mein Verlangen danach, krank zu sein. Das möchte ich nicht mehr. Es fühlt sich mittlerweile einfach viel zu schön an. Es war richtig, den Schritt aus der Krankheit zu wagen. Ich danke mir selbst dafür.

 

 

Bildnachweis: ClipDealer

Über die Autorin

Isabell, 24 Jahre, Patientin im TCE